Ewiges Licht
Aktualisiert: 10. Dez. 2020
Wir waren Bengels, Eggi, Mick und ich, und wir waren Ministranten, und der Herr Pfarrer hatte einen Fehler gemacht. Er liess uns eines Abends, es war Winter und schon völlig dunkel, eine halbe Stunde allein in der Kirche. Ich hätte schon lange gerne gewusst, wohin die Türe unter der Kanzel führt, und jetzt war der Moment gekommen. Mit klopfenden Herzen schlichen wir uns zu dieser sündigen Pforte, und sie war tatsächlich offen und der Raum dahinter finster wie die Hölle. Ich fand den Lichtschalter und schon standen wir im Lichtschein einer Neonröhre in einer Art Kommandoraum. Druckschalter, Kippschalter, Drehschalter, Anzeigen, Wände voll für alle Storen, Leuchten, die Orgel, einfach für alles, alle fein säuberlich angeschrieben. Das wäre es dann gewesen, wenn nicht Eggi einen ganz besonderen Schalter entdeckt hätte. „Ewiges Licht“ stand dort Für dieses kleine, rote Lichtlein, das in jeder Kirche unentwegt brennt, sollte es einen Schalter geben? Man konnte das ewige Licht einfach so ausschalten?
Mir war das ganze schon länger nicht mehr ganz geheuer und auch Eggi verliess langsam der Mut. Nicht aber Mick. Er schickte uns raus um das Licht zu beobachten, welches tatsächlich kurz verlosch und dann wieder sacht und unschuldig entflammte als wäre nichts geschehen. Wir hatten das ewige Licht sang- und klanglos gecancelt und wieder gestartet. Himmel und Hölle. Wir hatten das Symbol für die Ewigkeit per Knopfdruck für einen kurzen, endlichen Moment verschwinden lassen und dann wieder aus dem Hut gezaubert. Das Fundament unseres Glaubens, die Ewigkeit, wurde an einem Winterabend von drei Bengeln gnadenlos relativiert. Was konnte alles geschehen, wenn so etwas möglich war? Und da war ja auch noch Gott, der bekanntlich alles sieht. ALLES !!
Mit klopfenden Herzen schlichen wir aus der heiligen Stätte, und versprachen einander, keinem Menschen etwas über dieses Attentat zu erzählen. Es dauerte Wochen, bis wir uns trauten, hinzuschauen ob das gebenedeite Lämpchen tatsächlich wieder brennt. Aber mit der Zeit, als nichts weiter geschah, wurden wir wieder mutiger und schliesslich gab es nichts lustigeres als Gläubige, welche dieses „ewige“ Licht respektvoll und ehrfürchtig betrachteten und dazu um ihr Seelenheil beteten. Für mich aber bekam diese Episode immer mehr die Dimension einer Initiation. In einem einzigen Augenblick die kindliche Unschuld verloren. Was sollte jetzt aus mir werden?
Comentarios