Konstruktive Gesellschaft
Globalisierung ist zwar ein modernes Schlagwort, findet aber eigentlich spätestens seit den Kreuzfahrern und „Eroberern“ statt und hat einem verheerenden Mechanismus den Weg geebnet. Dieser ersetzte auf der Erde systematisch vereinzelt auftretende Kultur und Menschlichkeit durch Zivilisation und Barbarei. Zentrale Begriffe zur Analyse dieses Mechanismus sind die konstruktive und die destruktive Gesellschaft. Ironischerweise ist es dieselbe Globalisierung, welche in ihrer letzten Konsequenz die Möglichkeit zur Gesundung in sich trägt.
Gesellschaften, Völker, Lebensgemeinschaften usw. sind entweder eher konstruktiv oder eher destruktiv orientiert. Beide Existenzformen haben je einen grossen Vorteil. In der konstruktiv orientierten Gesellschaft lebt es sich angenehmer. Sie entwickelt in erster Linie Kultur. Die Menschen leben miteinander und „mit der Natur“ im Einklang und fühlen sich aufgehoben und sicher. In der Sprache der Navajo-Indianer heisst dieser angestrebte Zustand „Hozho“, vereinfacht etwa mit „Harmonie und Balance“ zu umschreiben. Solche Gesellschaften kämpfen vielleicht hin und wieder gegen Rivalen um Land, Jagdgründe oder vielleicht Frauen. Es würde ihnen aber nie in den Sinn kommen, dafür Waffen zu entwickeln, welche sie nicht ohnehin zur Jagd von Tieren brauchen. Die destruktiv orientierte Gesellschaft setzt in jeder Beziehung auf Konkurrenz (Marktwirtschaft.....) und Misstrauen (Feindbilder.....). Man schafft sich seinen „Vorteil“ auf Kosten der Mitmenschen und der Natur, den „Losern“. Daraus resultiert in erster Linie militärische Stärke.
Die Mechanismen, welche innerhalb einer Gesellschaft darüber entscheiden, in welche Richtung sie sich entwickelt, sind sehr komplex. Es gibt natürlich Indikatoren, welche mehr oder weniger zwingend in die eine oder andere Richtung führen. So ist beispielsweise in einer Miltärdiktatur keine konstruktive Gesellschaft möglich, während offenbar kleine Insel- oder Urwaldvölker, welche konstruktive Lebensformen entwickelt hatten und nicht mit anderen Kulturen in Berührung kamen, während Jahrtausenden nie auf die Idee kamen, daran etwas zu ändern.
Ein Mechanismus aber ist völlig simpel, logisch und hundertfach „bewährt“. Trifft eine konstruktive Gesellschaft auf eine destruktive, so wird sie unterworfen oder sogar ausgerottet und ihre Errungenschaften in kulturellen Bereich dem Erdboden gleich gemacht. Ich kenne in der gesamten Geschichte der Menschheit kein einziges Beispiel, welches diese Schlussfolgerung widerlegt, aber unzählige, die sie bestätigen. Während der ganzen Weltgeschichte haben fortwährend destruktive Kulturen konstruktive unterworfen oder ausgelöscht.
In Folge mangelnder Transport- und Kommunikationsmittel waren solche Ereignisse früher eher punktueller Natur. Auch hatten die Unterlegenen in der Regel die Möglichkeit, auszuweichen, nachzugeben, sich zu verstecken oder dann halt im grösseren Stil auszuwandern und damit der Unterdrückung zu entgehen. Erst ab dem Zeitalter der „Eroberer“, „Entdecker“ und „Kreuzfahrer“ mit ihren „fortschrittlichen“ Transport- und Waffensystemen begann der Mechanismus unbarmherzig und global zu greifen. Traurige Höhepunkte waren die Unterwerfung oder Ausrottung der eingeborenen Stämme ganzer Kontinente wie Australien oder Amerika, bis hin zu den Weltkriegen, wo sich allerdings praktisch ausschliesslich destruktiv orientierte Zivilisationen gegenüberstanden. Heute wird die Welt mit wenigen, unbedeutenden Ausnahmen, von destruktiven Gesellschaften regiert und gesteuert und es stellt sich die Frage, ob und wie dieser verhängnisvolle Mechanismus durchbrochen werden kann.
Ironischerweise trägt gerade die Globalisierung, welche letztlich den weltweiten Siegeszug des destruktiven Ansatzes erst ermöglichte, die Möglichkeit der Überwindung dieses Teufelkreises in sich. Die Grundvoraussetzung für die Unterwerfung und Vernichtung von wirklicher Kultur ist nämlich deren klare Erkennbarkeit. Der Mechanismus ist dann am effektivsten, wenn zwei Bevölkerungsgruppen sich klar unterscheiden, abgrenzen und gegeneinander aufhetzen lassen. Dankbare Gegensatzpaare sind beispielsweise Weisse und Schwarze, Christen und Muslime, Amerikaner und Iraner, Kapitalisten und Kommunisten usw. Den taktischen Ansatz zur wirksamen Unterhöhlung der Destruktivität liefert uns ausgerechnet deren weltweite Brutstätte, das Militär. Jeder Kommandant weiss, wie er den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln durch den Gegner massgeblich erschweren kann. Ein Stichwort heisst „Verzahnung“. Sich mit dem Gegner so weit durchmischen, dass das Auge der Atombombe nicht mehr fähig ist, den Feind zu erkennen und ausschliesslich diesen zu bekämpfen. Oder „Tarnung“, sich einfach nicht mehr als Feind zu erkennen zu geben.
So wie es aussieht, ist es durchaus denkbar, dass sich in den nächsten Jahrzehnten auf der ganzen Welt mit Kommunikationsmitteln beliebig vernetzte, westlich kapitalistische „Demokratien“ nach republikanisch-amerikanischem Muster entwickeln. Die Chance dazu ist vor allem deshalb nicht klein, weil die Amerikaner militärisch gesehen im Moment immer noch sehr stark sind. Für sich allein betrachtet ist so eine Entwicklung natürlich bedingt erfreulich, aber sie trägt eben auch die Chance zur weltweiten Überwindung der Destruktivität in sich. Man muss dafür sorgen, dass sich die Rassen und Kulturen so weit wie möglich durchmischen und dass die Menschen, welche nach konstruktiven Grundsätzen leben, vollständig mit den anderen vermischt bleiben und nicht klar als Gruppe irgendeiner Form erkennbar, ausgrenzbar und damit bekämpfbar werden. Dass sich auf der ganzen Welt möglichst synchron, fast unmerklich die Erkenntnis durchsetzt, was es dem einzelnen bringt, in einem wirklich sozialen Gefüge zu leben und dass alle Staaten möglichst gleichzeitig immer konstruktiver werden und die Völker den Scharfmachern in Politik und Wirtschaft den Laufpass geben. Der wilde Westen und seine Protagonisten als Auslaufmodelle. Je schleichender und unmerklicher dieser Prozess vor sich geht, desto besser. Eine grosse Hilfe dabei ist unsere begrenzte Lebensdauer. Unsere Kinder kommen mit beliebigen Entwicklungsmöglichkeiten auf die Welt, während die Idioten langsam, unmerklich und schmerzlos aussterben.
Das Entscheidende dabei ist, dass keine einzige Nation auf diesem Weg entscheidend zurückbleibt, weil sie sonst unweigerlich militärisch aufrüstet und sich letztlich die übrige, friedlich gewordene Welt unterjocht. Das ist natürlich ein sehr heikles Gleichgewicht und die Chance, dass sich so etwas ergeben könnte, scheint wirklich nicht gerade gross. Aber es ist entscheidend, ob man eine minimale Chance oder gar keine hat.