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Jegge Hatz

So ein Sauhund, wer hätte das gedacht. Raus mit dem, sofort, überall. So der Grundtenor in der Beurteilung des Bestsellerautors. „Dummheit ist lernbar“, wer sagt’s denn. Auch in diesem Fall musste ich 10 Tage warten, bis ich in der Sonntagszeitung eine etwas differenziertere Stellungnahme fand. Martin Killias heisst der renommierte Strafrechtsprofessor, auf dessen Dissertation hingewiesen wird, welche dazumal kaum zur Kenntnis genommen wurde, heute aber zu einem Shitstorm in biblischen Ausmassen führen dürfte. Stein des Anstosses zweifellos die Schlussfolgerung des Autors: Das Problem ist häufig weniger der Missbrauch als die Untersuchung danach.

Ich meine, Sex mit Schutzbefohlenen durch Psychiater, Ärzte, Lehrer, Trainer, Chefs ist ein NoGo, wie man heute sagt. Ganz besonders gilt das natürlich, wenn Minderjährige im Spiel sind. Das Problem liegt darin, dass niemand in der Lage ist, in einer solchen Situation die eigene Begierde aus dem Spiel zu halten und nur das Wohl des Andern als Kriterium für seine Handlungen zuzulassen, was von ihm ja eigentlich erwartet werden muss. Da hat Jürg Jegge Scheisse gebaut, ganz klar.

Unsere Gesetze haben eigentlich die Aufgabe, zu verhindern, dass jemand zu etwas gezwungen oder zumindest nachdrücklich überredet wird, das ihm unangenehm ist oder ihn sogar schmerzt und schädigt. Aber unbefangene Achtjährige können einen Exhibitionisten durchaus als lächerlich oder leicht befremdend empfinden und sich gelangweilt abwenden, während anschliessende, stundenlange, suggestive Befragungen wirklich nerven oder sogar bedrohlich daherkommen. Entscheidend für eine Anklage ist ausschliesslich, was das „Opfer“ im Moment des mehr oder weniger erwünschten Kontakts empfindet und wie dieses Erlebnis es in der Folge belastet und quält.

Nur kommen da jetzt unweigerlich die Reaktionen der Umgebung und die Vorbelastung durch moralische Instanzen ins Spiel, welche sich dem Einfluss des „Täters“ entziehen und auf das Urteil eigentlich keinen Einfluss haben dürften. Ich möchte hier drei Beobachtungen beifügen, über die sich jeder seine eigenen Gedanken machen kann:

  • An einer Party vor Jahrzehnten im linken Kuchen in Zürich hatte ich zufällig die Gelegenheit, in einem kleinen Kreis zu diskutieren, dem auch Jürg Jegge angehörte, dessen Bestseller ich kurz zuvor gelesen hatte. Da ist mir lediglich eine kurze Passage in Erinnerung geblieben, als er auf einen seiner „Problemschüler“ zu sprechen kam: „Schau zum Beispiel den Manolito an. Ist doch einfach ein lieber Kerl. Gut, er klaut alles was nicht niet- und nagelfest ist, aber wir wissen ja, wo wir es suchen müssen.“ Das sagte mir über den Typen mehr aus als das ganze, übrigens sehr inspirierende Buch mitsamt den Reaktionen des Publikums. Wo andere Lehrer den „Kameradendiebstahl“ auf beleidigende Weise verurteilten und sanktionierten, demonstrierte Jürg bedingungsloses Vertrauen und Zuneigung. Für mich war dies das eigentliche Geheimnis seines Erfolgs.

  • In einem Brief, den er an sein „Opfer“ nach dem Lesen seines Buches schrieb, fragt Jegge, offensichtlich ehrlich erstaunt: „Woher kommt dieser Hass?“.

  • Co-Autor der Anklageschrift gegen Jegge ist Hugo Stamm. Über Jahre habe ich immer wieder dessen Berichte über sein Spezialgebiet Sekten gelesen, welche durchaus fundiert und wenig polemisch daherkommen. Dann war da die Geschichte mit der Tennisspielerin Patty Schnyder. Die Tante war damals komplett von der Rolle, stand offenbar unter dem Einfluss eines Gurus und soll sich nur noch von Orangensaft ernährt und mit ihren Eltern hoffnungslos zerstritten haben. Unterstützt wurden die Eltern in ihrem hasserfüllten Kampf gegen die Tochter von Hugo Stamm, Sektenexperte. Ihn habe ich bei dieser Gelegenheit erstmals im Fernsehen gesehen, mit gemischten Gefühlen muss ich sagen. Der Mann ist mir irgendwie unheimlich.

Jegges Verhalten war ungeschickt, unangebracht und wohl auch gesetzwidrig, völlig klar, aber man kann ihn doch nicht mit der Bestie vergleichen, welche Vergewaltigungen von achtjährigen Kindern filmt und sich an den Videos dumm und dämlich verdient. Jedenfalls wünsche ich der Pädophilen-Jagdgesellschaft, dass sie bei ihren Halali über Jegges neuen Bestseller „Opferdasein ist lernbar“ stolpert.

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